Schreiben
der Grete Kleeberg aus Bösingfeld an den Landespolizeidirektor, 8.4. 1933
Mein Mann befindet sich seit dem 1. März in Haft und wohne ich allein mit einer elfjährigen Tochter, 2 weiblichen Angestellten und einer Hausangestellten im Geschäftshaus.
In
der letzten Februarwoche sind uns die Kontorfenster und Nächte darauf der
Konfektion eingeworfen worden. 14 Tage später wieder ein Fenster im Kontor.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag sind uns nicht nur sämtliche Schaufensterscheiben, Flurfenster des Geschäftshauses, sondern auch die großen Schaufenster im Hause des Herrn Fritz Noth, wo wir mietweise Ausstellungsräume unterhalten, und ein großes Firmenschild mit roter Farbe vollständig überstrichen. Der Farbe war Lack begemischt, und bedurfte es tagelang Arbeit eines Malers, um sie zu entfernen. Die Schaufensterrahmen beider Häuser, und außerdem die Haustür und der Sockel des Geschäftshauses mußten neu gestrichen werden. Durch den Anwurf der Farbbüchsen, die auch zum Teil mit Steinen gefüllt waren, ist die Westseite des Hauses total besudelt worden. Meine Bitte um Schutz bei der hiesigen Gendarmerie war vergebens.
In
der Nacht, wo der Terrorakt bei dem Landwirt Arensmeier, Linderbruch, passierte,
wurde uns ein Fenster des Wohnzimmers eingeworfen. Ich schutzlose Frau muß
dauernd neue Terrorakte über mich ergehen lassen, die nicht nur mir, sondern auch dem Personal jeden
Schlaf rauben, und uns seelisch und körperlich erschöpfen.
In
meiner Verzweiflung wende ich mich an die Landespolizeibehörde mit der
ergebenen Bitte um Schutz fürs Haus und seine Bewohner, die nur aus hilflosen
Frauen bestehen, denn ich bin am Ende meiner Kräfte und treibe der Katastrophe
zu.
Quelle:
(StA DTL 80 Ie. IV. 5.2.1) in: van Fassen, Diana und Hartmann, Jürgen:„...
dennoch Menschen von Gott erschaffen“ – Die jüdische Minderheit in Lippe
von den Anfängen bis zur Vernichtung, S. 82, Bielefeld 1991