Protest des Julius Kleeberg/ Bösingfeld an den Landrat in Brake wegen antisemitischer Äußerungen auf einer Parteiveranstaltung der NSDAP, 1932

Vor etwa 3 Wochen hat in einer öffentlichen Versammlung der N.S.D.A.P. der Pg. Bergmann, Lage, sich über die Judenfrage im „Dritten Reiche“ wie folgt ausgelassen.

Die Juden werden wir nicht abschlachten, aber die ersten 29% werden wir in die Schweineställe in die Bergwerke und vor die Hochöfen schicken, und wenn die es satt haben und auswandern, dann kommen die nächsten 29% heran und so weiter, nur 1 Jude soll weiter handeln und wenn der sich tot gehandelt hat, dann wird er von uns in Spiritus gelegt, damit er der Nachwelt erhalten bleibt.

Als Zeugen werden benannt

1.    Der Zigarrenarbeiter Wilhelm Struck

2.    Der Bankangestellte Werner Amelung

beide in Bösingfeld.

Die Reihe der Zeugen kann, wenn erforderlich, verlängert werden.

Es drängt sich die Frage auf, ob die heute noch gleichberechtigten Staatsbürger jüdischen Glaubens es sich gefallen lassen müssen, in einem Rechtsstaate in dem wir heute noch leben, sich so öffentlich verhöhnen zu lassen.

Bei Behandlung dieser Angelegenheit muß bedacht werden, dass es eine politisch wenig geschulte Landbevölkerung ist, die solche Hetzreden zu hören bekommt die nur zu leicht auf solche unerhörten Gemeinheiten im Sinne des beabsichtigten Zweckes reagiert.

Logisch gedacht muß auch der Jude als Steuerzahler und Staatsbürger den Schutz genießen, der in einem Kulturlande jedem Menschen gesetzlich und moralisch gewährt ist.

Nicht uninteressant dürfte es sein, daß Herr Helms Graben die zweite Garnitur Redner jenes Abends erklärte, er müsse es bedauern, wenn er mit seinen Ausführungen die prachtvollen Worte des Vorredners um ihren Eindruck bringen würde.

Da die Angelegenheit unverkennbar ein öffentliches Interesse hat, Pg. Bergemann und Biesemeier sprechen hier morgen abend Mittwoch in „Stadt Hannover“ wieder, so beantrage ich behördlichen Schutz entweder auf dem Wege der Verwaltung oder der Strafgesetzgebung oder der Notverordnung Hetzern gegenüber.

Quelle: StA DT L 75 IV.5.3.2